Eine historische Adresse in Großenhain soll jetzt zur besten Wohnlage werden.
Von Birgit Ulbricht
Großenhain. Berlin, Dresden, Leipzig oder Bautzen könnten sich bald in Großenhain tummeln. Je nachdem, welchen Haustyp sich die Bauherren aussuchen. Die TAFF-Haus GmbH will für Großenhain noch die Wunschhäuser zusammenstellen. Neun Bauherren können sich dann ihren eigenen Traum vom Wohnen im Grünen und mit fünf Minuten
Fußweg in die Stadt erfüllen. Denn die neun Häuser sollen in exponierter, wenn auch seit Jahren fast vergessener Stadtlage gebaut werden – am Fuchsbau.
Von hier aus ist es nicht weit zum Einkaufen oder zur Schule und doch wunderschön an der Röder gelegen. Etwa ein Hektar direkt entlang der Röder bleibt auch Grünzug, berechnet nach dem hundertjährigen Hochwasserhöchststand. Für künftige Anwohner nicht der schlechteste Fall – der Grünzug ist zusätzlicher Lebensraum zum
Spielen und Ausruhen – und die Aussicht bleibt garantiert unverbaut.
Kein Styropor in der Dämmung
Noch dieses Jahr soll die Erschließungsstraße angelegt werden. Rechts und links davon stehen jeweils die Häuser, die schon nach drei bis vier Monaten bezugsfertig sind, so Ricarda Kube, TAFF-Haus GmbH. Wer will, kann beim Innenausbau sogar selbst Hand mit anlegen, da ist vieles möglich. Die Häuser gehören zur Energieeffizienzklasse KfW 40 und sind nicht Styropor gedämmt oder in Folie gepackt, sondern mit natürlichen Materialien. Denn seit der Kunstdämmstoff in Verruf gekommen ist und sich sogar übergangsweise Entsorger weigerten, Styropor anzunehmen, ist das plötzlich zum Verkaufsargument geworden, weil niemand weiß, wie sich die künftige Entsorgung solcher Kunststoffe einmal gestaltet. So plant es Eigentümer Carsten Meißner.
Der zweite Teil seines Bauvorhabens ist der weitaus augenfälligere – denn es geht um die bekannte Villa „Fuchsbau“. Das ehemalige Villengebäude an der Radeburger Straße steht als „stattlicher vorgründerzeitlicher Bau in dörflichem Kontext“ von 1880 unter Denkmalschutz. Im wahren Leben machte es von sich Reden, als die erste Etagen teilweise einbrach und kurz darauf unter großer Anteilnahme der Großenhain von der Feuerwehr eine Katze gerettet wurde. Bis 1945 waren hier Schreibkräfte und Funkerinnen vom Flugplatz zu Hause. Zurzeit des Stalinkultes machte der Fuchsbau wieder von sich Reden: Statt der Hirsche am altehrwürdigen Dianabrunnen lagen zwei riesige Betonkugeln zu Füßen eines leuchtenden roten Sterns und dem Bildnis des großen Führers Josef Stalin.
Die beiden Steinkugeln kamen später klammheimlich, als man Väterchen wieder loswerden wollte, vor den Anbau des Fuchsbaus, als hätten sie dort seit eh und je gelegen – und verschwanden Jahre darauf ebenso unerklärlich in Privatgärten. Aber das ist schließlich nur eine historische Episode am Rande. Weder waren die Beton-Kugeln wertvoll, noch wollte sie ernsthaft jemand aufspüren. Seine Blütezeit hatte der Fuchsbau jedoch in frühen DDR-Zeiten. Über einhundert Leute wohnten einmal hier, darunter viele Kinder. Es entwickelte sich ein Hausgemeinschaftsleben, wie es sie heute kaum noch gibt. „Wir waren fast alle einfache, aber
rechtschaffene Leute, deshalb verstanden wir uns auch so gut. Wir halfen uns gegenseitig. Sogar unsere Türen konnten wir offenlassen, und freitags war im Waschhaus das große Baden angesagt“, erzählten ehemalige Bewohner.
Straßenfest am 26. August
Bernd Schopies war der letzte Mieter. Buchstäblich bis rundherum alles baufällig wurde, blieb er. Den Rest gab der alten Villa der Tornado 2010. Für Bernd Schopies war der Fuchsbau – benannt nach dem früheren Besitzer, einem Allgemeinarzt Dr. Fuchs – dennoch bis zuletzt eine gute Wohnlage. Jeder Mieter hatte früher seinen eigenen Kleingarten. Die Parzellen liegen allerdings längst verwaist an der Röder. Wo früher die Papierfabrik mit die größten Wohnbezirksfeste von ganz Großenhain veranstaltet hat, ist heute Stille.
Doch nicht mehr la nge: Schon am 26. August gibt es wieder das erste Straßenfest. Von 11 bis 16 Uhr laden Eigentümer Carsten Meißner, die TAFF-Haus GmbH und die K&S Immobiliengruppe ein, um ihr Projekt den Großenhainern vorzustellen. Denn die zehn Drei- bis Fünfraum-Wohnungen sollen ausnahmenslos als Eigentum entstehen. Thorsten Thiebach von der K & S Immobilienverwaltung will mögliche Interessenten und Käufer vom Erwerb bis hin zur Eigentümergemeinschaft begleiten. Und auch die
früheren Gärten sollen wieder an die neuen Bewohner gebracht werden. Was einst schlicht der Versorgung diente, ist heute eben innerstädtische Chillzone.
Für Thorsten Thiebach ist das Projekt „Villa“ schon deshalb etwas Besonderes, weil hier mit Baukindergeld und der Förderung als denkmalgeschütztes Objekt – wenn der notarielle Kaufvertrag vor der Sanierung abgeschlossen wird – ein wirklich erschwingliches Wohnen und eine gute Altersvorsorge entsteht, so Thorsten Thiebach zum wirtschaftlichen Aspekt der Geschichte. Doch auch darüber lässt es sich persönlich sicher besser plaudern.